Hallo und viele Grüße aus Astrakhan, einer 500.000 Einwohner zählenden russischen Hafenstadt im Wolgadelta am kaspischen Meer. Seit dem letzten Blogeintrag aus der Ukraine liegen mehr als 1100 auf dem Rad gefahrene Kilometer hinter uns. Es ist der zweiundvierzigste Reisetag und insgesamt haben wir nun eine Strecke von 4180 Kilometern zurückgelegt. Unweit von dieser Stadt liegt die russisch/kasachische Grenze, die wir aller Voraussicht nach übermorgen überqueren werden.

Gerade ist es 10 Uhr morgens, draußen sind es etwa 25 Grad, die Sonne scheint am fast wolkenlosen Himmel und ich sitze an meinem Laptop schreibend in einem angenehm sauberen und bequemen Hotelzimmer. Nach der kraftraubenden letzten Etappe durch Russland ruhen wir uns hier einen Tag aus und können ein wenig Komfort gut gebrauchen.

Der Aufenthalt in Russland ist also kurz gewesen, aber durchaus abwechslungsreich und sehr interessant. Zunächst bringt uns eine Fähre von der Krim über die Grenze. Sowohl auf ukrainischer Seite als auch auf der Russischen laufen alle Formalitäten problemlos. Unangenehm ist lediglich das Abladen aller Gepäckstücke zur Durchleuchtung beim Zoll.
Während wir noch auf die Fähre warten, treffen wir auf eine Gruppe ukrainischer Radfahrer, die einige Tage Urlaub genommen haben und auf dem Weg nach Sotchi sind. So gut es geht tauschen wir uns auf englisch aus, erfreuen uns gemeinsam an der kleinen Schiffsüberfahrt und schlagen abends zusammen unser Camp auf, dass dann insgesamt 6 Zelte zählt. Julia und ich werden zum Abendessen eingeladen, das die Ukrainer auf dem Feuer kochen. Es gibt einen riesigen Kessel mit Suppe, Salate, Brot, Käse, Speck, getrockneten salzigen Fisch, Kekse, russisches und ukrainischen Bier, Wodka, Cognac, und auch einen großen Topf Tee. Ein Festmahl für mich – wenn es sonst gewöhnlich nur Nudeln gibt! – auf so vielen Rädern lässt sich eben deutlich mehr transportieren. Später sitzen wir noch bis in die Nacht am Feuer und erzählen…

Am nächsten Tag trennen sich unsere Wege. Julia und ich fahren weiter gen Osten nach Krasnodar, die Ukrainer biegen nach Süden gen Sotchi ab. Unser Weg führt uns weiter über die russischen Städte Kropotkin, Armavir, Stavropol und Elista bis hierher nach Astrakhan. Anfangs ist die Landschaft geprägt von Kornfeldern mittlerer Größe, die, ich denke zum Schutz vor Wind, immer wieder durch etwa 5 Meter breite Baum- und Strauchreihen voneinander getrennt liegen. Diese eignen sich übrigens bestens als Sichtschutz zum Zelten. Nach einigen Tagen ändert sich dann das Landschaftsbild. Es wird spürbar trockener und sehr heiß. Nachdem wir eine Hügelkette überqueren verschwindet der Ackerbau völlig aus dem Bild. Stattdessen prägen es nun Schaf- und Rinderherden. Langsam wird es noch trockener, bis wir die Kalmykische Steppe erreichen. Mehrere hundert Kilometer fahren wir durch einsames Grasland – ehemals, vor sehr langer Zeit, Grund des kaspischen Meeres.

Durch das riesige Wolgadelta ist es hier um Astrakhan sehr feucht, doch geregnet, erzählt man mir, hat es hier das letzte Mal vor 2 Monaten. Doch nicht die Trockenheit, Einöde oder Hitze sind so anstrengend gewesen, sondern heftigster Wind aus dem Osten, der uns nun schon seit der Krim ausbremst. Teilweise kommen wir in der Stunde nur 10 Kilometer vorwärts. Das zehrt an unseren Kräften. Jedes Dagegen-Ankämpfen ist sinnlos – bei Verdoppelung der Geschwindigkeit vervierfacht sich der Luftwiederstand. Doch mit Ausdauer und Geduld kommen wir trotzdem wie geplant voran, nur mit deutlich längeren Fahrtzeiten. Ich hoffe auf baldigen Windwechsel. Die Weite dieser Landschaften, das Karge und Unwirtliche mag ich sehr, doch weht der Wind so heftig, dass ich kaum von der Stelle komme, schalte ich oft meinen mp3 Player ein, lasse mir vom Deutschlandfunk in Hintergrundberichten von anderen Teilen der weiten Welt erzählen oder höre die Musik, die mich schon auf den Reisen vor zwei und vier Jahren begleitet hat – das gibt Extra-Kraft und Gänsehaut bei 35 Grad.

Nicht nur mein Körper ermüdet, sondern auch Material. Nachdem der Bolzen zur Verstellung der Sattelspannung gebrochen war, habe ich zunächst einen Ersatzsattel in der letzten ukrainischen Stadt gekauft. Immerhin von SelleRoyal, und einigermaßen passend für mich, aber nach drei Tagen ist die Schmerzgrenze auch für mich erreicht gewesen und ich wollte keinen Kilometer mehr weiter damit fahren. Eine andere Lösung war nötig. Unter Schmerzen kam mir dann doch noch eine Idee wie der Schaden auch mit einfachen Mitteln behoben werden könnte und wir haben an einem der vielen Automechaniker-Werkstätten angehalten. Mit etwas Glück, Improvisation und Geduld ist der Sattel wieder einsatzbereit und hält nun hoffentlich bis zum Ende der Reise durch.



Grenzabfertigung auf ukrainischer Seite


Unsere Fähre nach Russland


An der Weggabelung – obligatorisches Gruppenfoto mit den Ukrainern


Unzählige Werkstätten säumen die Straßen von Ortschaften


Alter Eisenbahnwaggon an einem Truckstop – umgebaut zum Café



mein Cockpit


In fast jedem Ort zeugen Denkmäler von den Spuren des zweiten Weltkriegs


Unterwegs auf weitem russischem Grasland


Sonnenaufgang in der Steppe – Nachts reicht das Moskitonetz nun völlig aus


In der Steppe…


In der völligen Einöde begegnet uns plötzlich ein kleiner Hund. Durch den heftigen Gegenwind fahren wir sehr langsam und er folgt uns fast zehn Kilometer. Irgendwann geben wir ihm etwas Wasser und schon haben wir einen neuen Freund. Mal sehen ob wir ihn durch den kasachischen Zoll schmuggeln können…


Ein letztes Bild aus Astrakhan – die Wolga

Bis bald, dann aus Kasachstan!
Jens

7 Kommentare

  1. Hello, Jens! We are already back home :)) Nice blog! We saw your trips and they are terrific! Greets from everyone of us! Wish you luck, fair wind and no punctures! Greetings to Julia! Some photos by Eugene (Mr. Big one :))) from our journey you can see here:

  2. Hey Slavik! Greetings to Lviv!

    @Yps Ja,das Eine sind Socken zum trocknen, das Andere sind Faehnchen aus Russland und der Ukraine – haben uns die Menschen geschenkt, und die haengen auch sonst ueberall…

    @Alex & Karo: Thanks a lot for the photos! I hope you had a beautiful trip to Sotchi!

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